Unter dem Motto "Jeder is(s)t hier richtig!" ist jeder und jede eingeladen
Gemeinschaft zu erleben. Vom 2. bis 16. Februar verwandelt sich die Christuskirche in Memmingen in eine Wohlfühloase mit geschmückten Tischen.
Die Vesperkirche mit ihrer besonderen Atmosphäre mit gemeinsamem Mittagessen, Getränken, Kaffee und Kuchen ist ein deutliches Zeichen der erlebbaren Gerechtigkeit in der christlichen Gemeinschaft. Die Gemeinschaft in der Vesperkirche überwindet so bewusst Grenzen in unserer Gesellschaft, die sonst nur schwer durchbrochen werden – auch in der Kirche.
Zusätzlich zur Kinderbetreuung wird ein kulturelles Rahmenprogramm angeboten. Außerdem wird es noch eine Nähstube, einen Friseur, eine Fotobox, individuelle Sozialberatung, Seelsorge sowie die Möglichkeit eines Arztbesuchs geben.
Die Festpredigt
Liebe Festgemeinde,
an unseren Kindern haben wir besonders erlebt, wie wichtig das ist: Gleich sein, gleichbehandelt werde. Gleiches Recht für die beiden war in den Augen unserer Söhne Gerechtigkeit: Wenn der Älterer eine Kugel Vanille-Eis im Becher mit grünem Plastiklöffelchen bekommt, dann muss der kleine Bruder die gleiche Kugel Vanille-Eis im gleichen Becher erhalten. Wenn die Oma dem Bruder beim Sonntagsbesuch ein Geschenk mitbringt, dann muss der andere auch ein Geschenk haben. Sonst fließen heftige Tränen. Wenn der eine nach dem Abendessen das Geschirr und den Brotkorb abräumen muss, dann besteht er darauf, dass beim nächsten Abendessen aber der Bruder diese Aufgabe zu übernehmen haben. Sonst ists ungerecht.
Und bei uns Erwachsenen ist es nicht unähnlich. Regeln und Rechte müssen für alle gleich gelten. Wo kämen wir sonst hin. Beim Monopolyspiel zu Hause genauso wie an der roten Ampel, beim Steuerzahlen genauso wie beim Recht auf Menschenwürde.
Paulus geht jetzt aber einen Schritt weiter. Er spricht nicht mehr nur vom gleichen Recht für alle, sondern sagt: Alle, die Christus angezogen haben, für die gibt es keinen Unterschied mehr.
In Jesus Christus, sagt Paulus, sind alle Unterschiede zwischen Menschen aufgehoben. Was heißt das? Was bedeutet das heute hier in der Vesperkirche in Memmingen? Ich gehe noch einmal zu den Kindern zurück.
Kinder haben ein feines Gespür für Gerechtigkeit. Kinder haben aber auch ein feines Gespür für soziale Unterschiede. Sie achten genau darauf, mit was für einer Schultasche und welchen Aufdrucken ihre Mitschüler ins Klassenzimmer kommen. Die Turnschuhe und die T-Shirts müssen von der richtigen Marke sein. Jedes Spielzeug und jedes Pausenbrot, jede Puppe und jedes Smartphone bietet Möglichkeiten, mit einem anderen Kind sozialen Kontakt aufzunehmen - oder auch nicht: Ich spiele mit dir, weil du dieselben Spielzeuge magst wie ich. Oder ich spiele nicht mit dir, weil dir dieses Spielzeug oder jenes Kleidungsstück einer bekannten Marke fehlt.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei Schultaschen, Anoraks, Fußbällen und Turnschuhen sind wichtig, denn sie schaffen soziale und kommunikative Gemeinsamkeiten – oder umgekehrt Möglichkeiten, sich abzugrenzen.
Bei den Kindern fällt das auf, weil sie dafür besonders sensibel sind. Sie lernen, sich mit Hilfe von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der sozialen Welt zurechtzufinden. Kinder suchen die Nähe derer, die ihnen ähnlich sind; und sie halten Abstand zu denen, von denen sie sich unterscheiden. Nach diesen Spielregeln finden Kinder Freunde, nach diesen Spielregeln streiten sie sich aber auch.
Und bei den Erwachsenen gelten im Grunde keine anderen Regeln, nur dass an die Stelle der Carrera-Rennbahn der BMW und an die Stelle der Barbiepuppen-Sammlung das Gucci- Kostüm tritt. Die Regeln unterscheiden sich nicht. Soziale Welten, Netzwerke der Freundschaft, der Zuneigung und der Distanzierung werden aus Unterschieden und Gemeinsamkeiten gebildet. Ansichten, Interessen, Gewohnheiten, Kleidung, Sprache, Gesten, Theater oder Stammkneipe. All das sind solche Signale, mit denen testen, ob er oder sie zu uns passt.
Ohne solche Unterschiede würde sich kein Mensch in der Gesellschaft, in den Gewohnheiten seines Alltags zurechtfinden. Wir brauchen sie also. Wir brauchen sie übrigens genauso wie alle Menschen und Gesellschaften Spielregeln brauchen.
Nun sagt Paulus im Galaterbrief, dass in Christus Jesus solche Unterschiede nicht mehr gelten: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Der Glaube an Gott löst das Gesetz ab und vor allem ebnet er soziale Unterschiede ein. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Gemeint ist gleichwertig. Gleich werden wir nicht, wie gesagt: Eine Frau bleibt eine Frau, ein Mann ein Mann. Menschen bleiben unterschiedlich in der Art ihr Leben zu leben. Nicht gleich, aber die Wertung entfällt. Ein freier Mann ist nicht besser oder höher oder mehr wert als ein Sklave, sagt Paulus, oder ein Kind nicht weniger Wert als ein Erwachsener, eine Topmanagerin nicht mehr wert als ein Dreher. Sie sind alle unersetzlich und wertvoll. Für Gott. Und in einer christlichen Gemeinschaft muss sich das widerspiegeln. Im Interesse füreinander, in der Wertschätzung.
Das ist eine Herausforderung. Damit bekommt der Begriff der Gerechtigkeit auch eine andere Bedeutung. Gerecht ist Gleichbehandlung. Ja, aber nicht nur. Sondern gerecht ist, jede und jedem das zuzugestehen, was er und sie zum Leben braucht. Es ist eben nicht gerecht, wenn Menschen fliehen müssen, weil sie Zuhause nicht leben können. Es ist nicht gerecht, wenn Kinder in Bergwerken schuften müssen oder Menschen für uns Billig-T-Shirts nähen, aber von ihrem Lohn nicht einmal leben können. Es ist nicht gerecht, dass bei uns Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, im Alter an der Tafel anstehen müssen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen. Es ist nicht gerecht. Das wissen wir ja alle. Und mancher auch unter uns braucht zurzeit mehr Unterstützung und manche Lebensphasen mehr Achtsamkeit, und manche Momente besonders viel Trost. Ihr seid alle einer in Christus.
Seid gemeinsam füreinander da. Vom 2. bis 16. Februar verwandelt sich die Christuskirche in eine Wohlfühloase mit geschmückten Tischen. Unter dem Motto "Jeder is(s)t hier richtig!" erlebt eine neue Gemeinschaft eine besondere Atmosphäre mit gemeinsamem Mittagessen, Getränken, Kaffee und Kuchen. Zusätzlich zur Kinderbetreuung wird ein kulturelles Rahmenprogramm angeboten. Und dann gibts noch eine Nähstube, einen Friseur, eine Fotobox, individuelle Sozialberatung, Seelsorge sowie die Möglichkeit eines Arztbesuchs. So ein Mammutprojekt lässt sich auf Dauer natürlich nicht stemmen. Es ist so ja schon für 14 Tage ein großartiges Engagement aller Helfer, Spender, Organisatoren mit einem Riesenaufwand an Planung und Zeit und Knowhow. Sie alle, die Sie in den kommenden Tagen hier die Vesperkirche durchführen setzen dafür aber ein wichtiges Zeichen von Solidarität und Gemeinschaft und Gerechtigkeit ganz im Sinne von Paulus: Wir sind alle
eine oder einer in Christus. Das ist das Zeichen, das hier aus der Tat und dem Handeln in der Vesperkirche nach außen geht. Das ist eine Hoffnung, weil dieses erlebbare und „echte“ Eins sein mit Christus noch aussteht.