Der Augsburger Friedenspreis 2023 geht an die Journalistin Katrin Eigendorf. Oberbürgermeisterin Eva Weber verkündete die diesjährige Preisträgerin heute (08. August) im Rahmen der Feierlichkeiten zum Augsburger Hohen Friedensfestes. Dabei erfolgte die Bekanntgabe erstmals bei der großen Friedenstafel auf dem Augsburger Rathausplatz vor einer breiten Öffentlichkeit. Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber erklärte: „Katrin Eigendorf hat sich hier als Korrespondentin für das ZDF aus den Krisen- und Kriegsgebieten dieser Welt, zurzeit aus der Ukraine, als Vertreterin des qualitätsvollen, umfassend recherchierenden und nachgehenden Journalismus ausgezeichnet, der auch jenseits der Tagesberichterstattung um die Wahrheit und multidimensionale Konstruktion von Wirklichkeit in den Medien bemüht ist. Sie ist aus Sicht Augsburgs eine äußerst würdige Preisträgerin mit großer Strahlkraft für die Bedeutung des Zusammenhangs von Medienberichterstattung und Frieden.“
Regionalbischof und Juryvorsitzender Axel Piper unterstrich: „Mit der Auszeichnung der Journalistin betonen wir auch die Bedeutung eines unabhängigen, mutigen Journalismus für die Bewahrung und die Schaffung von Frieden. Friede ist nur möglich und von Dauer, wenn er den Situationen und Interessen der Menschen bestmöglich gerecht wird. Dazu aber müssen die Situationen und Interessen offen dargelegt und differenziert gewürdigt werden.“
Seit 1985 vergibt die Stadt Augsburg im Drei-Jahre-Rhythmus den Preis Augsburger Friedensfest – gemeinsam mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Der mit 12.500 Euro dotierte Preis zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich um ein tolerantes und friedvolles Miteinander der Kulturen und Religionen verdient gemacht haben. Der Preisträger wird immer am 8. August, dem Tag des Augsburger Hohen Friedensfestes, verkündet. Die feierliche Preisverleihung findet am 9. Oktober im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses statt. Der Laudator wird Kurt Kister, ehemaliger Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung sein.
Begründung der Jury:
Die diesjährige Preisträgerin steht als Korrespondentin des ZDF aus der Ukraine seit Beginn des Krieges für einen authentischen, menschenzugewandten, kritischen und klar reflektierten Journalismus. Frau Eigendorf ist sich in ihren Berichten der fragilen Konstruktion von Wirklichkeit und Wahrheit unter den besonderen Bedingungen in einem Kriegsgebiet sehr bewusst, lebt mit Repressionen und Einschränkungen vor Ort und bleibt bei aller Brutalität menschlich aufrichtig.
Anfang 2021 fiel Frau Eigendorf noch mit Reportagen aus Afghanistan auf. Sie wandte dort den Blick auf die Zukunft der Frauen im Land und den damit verbundenen Optimismus, auch wenn die Befürchtungen bereits groß waren, dass es sich mit der Machtübernahme der Taliban wieder ändern würde. Katrin Eigendorf hat sich hier als Vertreterin des qualitätsvollen, umfassend recherchierenden und nachgehenden Journalismus ausgezeichnet, der auch jenseits der Tagesberichterstattung um die Wahrheit und multidimensionale Konstruktion von Wirklichkeit in den Medien bemüht ist.
Aktuell erarbeitet die Korrespondentin mit ihrem Team Reportagen und Berichte aus und um den Krieg gegen die Ukraine. Sie geben – bei aller notwendigen Kürze – einen beeindruckend komplexen, konzentrierten und vielschichtigen Überblick über die Entwicklung, die die Ukraine oder Regionen bzw. Orte nehmen. Die differenzierten Ergebnisse scharfsichtiger Beobachtung, die nachvollziehbarere Einordnung in die größere politische Lage und weiterführender Recherche kennzeichnen die Arbeit von Katrin Eigendorf. Sie greift dabei auf ein Netzwerk zurück, das über einen langen Zeitraum aufgebaut ist und profitiert auch von ihren Erfahrungen aus anderen Krisenregionen, sowie ihrem großen Hintergrundwissen. Die Reportagen, Berichten und Schalten sind aber noch erstaunlicher, wenn berücksichtigt wird, unter welchen Bedingungen sie entstanden sind – nämlich Krieg. Zu einem Zeitpunkt, an dem sich in einem Land wenig in normalen Bahnen bewegt, die Lage unübersichtlich und die künftigen Entwicklungen schwer absehbar sind, gehört viel Mut dazu, aus dem Land zu berichten, sowie viel Professionalität, diese Lage für das deutsche Publikum situativ einzufangen und in dieser Spontanität jeweils angemessen einzuschätzen und Entwicklungen zu analysieren. Das erfordert nicht nur ein gutes Gespür und viel Sachverstand, sondern auch Beharrlichkeit und Nachdruck und persönlichen Mut.
In ihrer Arbeit als Journalistin behält unsere Preisträgerin stets ein sehr hohes Maß an Professionalität, zugleich zeichnet die Berichterstattung – insbesondere aus Afghanistan und der Ukraine –ein hohes Maß von authentischer Menschlichkeit, Interesse und Nähe aus.
Mit der Auszeichnung der Journalistin betonen wir auch die Bedeutung eines unabhängigen, mutigen Journalismus für die Bewahrung und die Schaffung von Frieden. Friede ist nur möglich und von Dauer, wenn er den Situationen und Interessen der Menschen bestmöglich gerecht wird. Dazu aber müssen die Situationen und Interessen offen dargelegt und differenziert gewürdigt werden.
Die Rolle eines freien und seriösen Journalismus für den Erhalt des Friedens war vielleicht nicht immer offensichtlich und direkt wahrnehmbar. Seit dem Beginn des Krieges von Russland gegen die Ukraine steht ein abscheuliches Gegenbeispiel unmittelbar mit allen Folgen vor Augen. Staatliche Propaganda und die Abschaffung des Medienpluralismus in Russland haben den Boden für den Überfall Russlands auf den ukrainischen Nachbarn erst bereitet. Die regimekritischen russischen Journalistinnen und Journalisten haben ihr Möglichstes getan, um ihre Landsleute über die sich vollziehende Transformation Russlands von einem autokratischen Präsidialstaat in einen totalitären Führerstaates zu warnen. Diese Journalistinnen und Journalisten wurden auch zurecht international vielfach dafür ausgezeichnet - sogar mit dem Friedensnobelpreis. Das Verbot einer freien Berichterstattung und Meinungsäußerung ermöglichte erst den grausamen, ungerechtfertigten Angriffskrieg, den Putin gegen die Ukraine entfesselt hat. Wenn die Wahrheit mundtot gemacht wird, ist Frieden in Gefahr. Oder umgekehrt gesagt: Wer für die Wahrheit, für die freie Berichterstattung, für einen seriösen Journalismus arbeitet, arbeitet für den Frieden.
Die Jury, der auch Frau Oberbürgermeisterin Eva Weber und die Herren Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger, Oberkirchenrat Michael Martin, Prof. Dr. Bernd Oberdorfer, Landgerichtspräsident a.D. Dr. Herbert Veh, RA Dr. Thomas Weckbach, Prof. Dr. Gregor Wurst und seit neuestem Dekan Frank Kreiselmeier angehören, freuen sich über die Preisübergabe an Katrin Eigendorf am 9. Oktober.
Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger:
1985: Hermann Kunst, deutscher Militärbischof
1988: Chiara Lubich, Rom, Gründerin der Fokolarbewegung
1991: Nathan Peter Levinson, Landesrabbiner von Hamburg und Schleswig-Holstein
1994: Richard von Weizsäcker, Altbundespräsident
1997: Alfons Nossol, Erzbischof in Oppeln/Polen
2000: Sumaya Farhat-Naser, Friedensvermittlerin im Westjordanland
2003: Helmut Hartmann, Gründer des Forums Interkulturelles Leben und Lernen (FILL)
2005: Michail Gorbatschow, Friedensnobelpreisträger 1990 und früherer Staatschef der Sowjetunion sowie Christian Führer, Pastor der Leipziger Nikolaikirche
2008: Hassan bin Talal, Prinz von Jordanien und ehemaliger Präsident des Club of Rome
2011: Papst Schenuda III. von Alexandrien, Oberhaupt der Koptischen Kirche
2014: Lea Ackermann, Missionsschwestern Unserer Lieben Frau von Afrika und Gründerin der international tätigen Organisation SOLWODI
2017: Martin Junge, Pfarrer, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB)
2020: an den katholischen Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx und den evangelischen bayerischen Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm
Hintergrund Augsburger Hohes Friedensfest
Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges wurde den Protestantinnen und Protestanten der Stadt Augsburg am 8. August 1629 die Ausübung ihres Glaubens untersagt. Erst im Westfälischen Frieden 1648 erlangten sie die Gleichstellung mit der Römisch-Katholischen Kirche, die bereits 1555 im Augsburger Religionsfrieden formuliert worden war. In Erinnerung an den Tag ihrer Unterdrückung feierten die Protestantinnen und Protestanten 1650 erstmals das Hohe Friedensfest – am 8. August. Seither wird es an diesem Tag begangen. 1948 verankerte der Bayerische Landtag in Art. 1 Abs. 2 Bayerisches Feiertagsgesetz das Augsburger Hohe Friedensfest als einen lokalen Feiertag im Stadtkreis Augsburg. Seitdem ist das Hohe Friedensfest ein in Deutschland einmaliger, gesetzlicher Feiertag. Seit Anfang 2018 ist das Friedensfest offiziell bayerisches Kulturerbe, Ende 2018 nahm die UNESCO es auch in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes auf. 2019 erhielt das Friedensfest den Heimatpreis Bayern für besondere Verdienste um Heimat, Kultur und Brauchtum.
Die Stadt Augsburg begeht das Hohe friedenfest jährlich mit einem vielfältigen Rahmenprogramm. Einer der Höhepunkte ist dabei die große Friedenstafel am Augsburger Rathausplatz. Bürgerinnen, Bürger und Gäste der Stadt nehmen gemeinsam Platz und teilen und tauschen mitgebrachte Speisen und Getränke, Vertreterinnen und Vertreter verschiedenen Religionen schicken dabei Friedensgrüße in die Welt. Im Anschluss wird im Botanischen Garten und im Augsburger Zoo das Kinderfriedensfest gefeiert.
Zur Person Katrin Eigendorf
Katrin Eigendorf wurde 1962 in Tönisvorst, Nordrhein-Westfalen geboren. Sie studierte Geschichte und Journalistik in Dortmund und Paris (Institut Francais de Presse). Anschließend absolvierte sie ein Redaktionsvolontariat beim WDR in Köln. Sie arbeitete als Redakteurin
im ARD-Studio Paris, anschließend bei den "Tagesthemen". Von 1993 bis 1996 war sie als Korrespondentin für RTL in Moskau.
Seit 1999 arbeitet Katrin Eigendorf für das ZDF, zunächst als Reporterin in der damaligen ZDF-Hauptredaktion Außenpolitik. Von Januar 2015 bis April 2018 war sie Korrespondentin im ZDF-Studio in Moskau und berichtete unter anderem über den Konflikt in der Ukraine. Das Studio ist zuständig für die Berichterstattung unter anderen aus Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan, der Ukraine und Usbekistan.
Seit Mai 2018 ist Katrin Eigendorf im Reporterpool der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles mit Berichterstattungs-Schwerpunkten in Afghanistan, der Ukraine, Russland, Libanon, Irak und Türkei. 2021 berichtete sie aus Afghanistan über die Rückkehr der Taliban. Seit Ende Februar 2022 berichtet sie aus der Ukraine über den Krieg in der Ukraine.
Katrin Eigendorf wurde 2021 mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus (Hauptpreis) für ihre Berichterstattung aus Krisenregionen in Afghanistan, der Ukraine und anderswo ausgezeichnet. Die Zeitschrift "Medium Magazin" zeichnete sie in der Kategorie "Reportage national" als Journalistin des Jahres 2021 (1. Platz) aus. 2022 erhält Katrin Eigendorf den Grimme-Preis für "besondere journalistische Leistung". Gewürdigt werden ihre "exzellenten Reportagen" über die Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan im Wettbewerb "Information & Kultur". Im gleichen Jahr wird sie in der Kategorie "Beste persönliche Leistung Information" mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Außerdem wurde ihr der Winfriedpreis der Stadt Fulda verliehen. (Quelle: ZDF)
Veröffentlichung:
Putins Krieg. Wie die Ukrainer für unsere Freiheit kämpfen. Fischer Verlag 2022
Engagement
Gemeinsam mit ihrem Mann Jörg Eigendorf gründete sie 2013 den Philip Julius Verein zur Unterstützung von Familien mit schwerstbehinderten Kindern im Andenken an ihren 2011 verstorbenen Sohn Philip Julius.
Der Philip Julius e.V. hat seinen Sitz in Bad Vilbel