Abschiedspredigt von Regionalbischof Axel Piper zu 2. Tim 1,7
in St. Ulrich Augsburg am 19. September 2024 um 18.00 Uhr
Es gilt das gesprochene Wort
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der ist, der war und der kommen wird.
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Diesen Satz haben wir unserem Sohn Julian als Taufspruch mit auf den Weg gegeben. Was gibt es auch Besseres, als mutig, aufrecht und optimistisch durchs Leben gehen zu können?
Das biblische Original ist aber kein Zuspruch am Lebensbeginn, sondern an ein Lebensende gestellt. Klingt daher wie ein Resümee. Wie ein Vermächtnis des Apostel Paulus.
Da sitzt Paulus im Gefängnis. Hat kaum noch die Hoffnung, es noch lebend zu verlassen. Und natürlich denkt er nach: Was habe ich erreicht? Was davon bleibt? Und Menschen, die ihm gerade durch den Kopf gehen: Die eindrücklichen, die, die ihm nahe waren. Was werden die wohl machen? Die, die in Freundschaft fest zu ihm stehen und standen: Timotheus gehört dazu oder Barnabas, Titus, Silas, Lukas, Priszilla, Aquila, Lydia. Hat doch soviele Freundinnen und Freunde, hat selbstvergessene Nähe, vielleicht auch Liebe erlebt... Und dann die anderen, von denen er sich verraten und verkauft fühlt. Bis heute.
Was war das für ein Leben! Immer wieder Ankommen, sich zurechtfinden, auf ein neues Leben und auf neue Menschen einlassen und dann wieder Abschied nehmen. Und wenn man dem Paulus so einen Satz zuschreibt, ists wie ein Testament: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Eine bleibende Ermutigung für den Dreiklang des Lebens: Ankommen in einer neuen Situation. Sich orientieren, sich auf das Leben einzulassen, wie es kommt. Dabei Menschen kennenzulernen und ihre und unsere Geschichten zu teilen und dann wieder Abschied zu nehmen, aufzubrechen. Für mich sind die Lebensgeschichten des Paulus Geschichten von Sehnsucht und Mut, sind gelebte Beispiele von Gottvertrauen.
Paulus oder eher einer seiner Schüler schreibt hier an einen anderen kirchlichen Mitarbeiter, nämlich Timotheus, vor knapp 2000 Jahren. Ein Seelsorgebrief mit allgemeiner Geltung. Ein
Pastoralbrief, ein Ermutigungsbrief. Wie ja die ganze Bibel ein Ermutigungszeugnis ist. Allein der Appell: Fürchte dich nicht –kommt fast 400 mal vor.
Was den Satz im Timotheusbrief davon unterscheidet: Hier ist keine Aufforderung eines göttlichen Boten, kein Appell: Fürchte dich nicht! Hier ist es Zusage. Schlicht und einfach: In dir ist keine Furcht, sondern Kraft, Liebe, Besonnenheit. Die Basisbibel übersetzt: Denn der Geist, den Gott uns geschenkt hat, lässt uns nicht verzagen. Vielmehr weckt er in uns Kraft, Liebe und Besonnenheit. Wie ein anvertrautes Gut, ein Geschenk. Gotteskinder sind keine Kinder der Furcht. Sie sind durch Gottes Geist kraftvolle, mutige Menschen. Das ist in ihnen angelegt. Kein Wunschdenken, sondern Tatsache. Realistisch.
Und was mir so gut gefällt: Das Gegenteil von Furcht ist hier nicht einfach nur Mut. Es gibt als Mut ja auch den Mut des Verzweifelten, den Todesmut, den „Augen zu und durch – Mut“. Und den wünscht man sich ja weniger.
Nein hier ist es die Kraft, die aus Optimismus, aus Glauben, aus Hoffnung gespeist ist.
Die habe ich in unserer Kirche so oft erlebt: Ja, selbst bei aller schmerzlichen Erkenntnis, dass wir weniger Mitglieder und weniger ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeitende werden, weniger Geld haben: Das nehmen wir nicht einfach nur hin. Nein, Gemeinden kooperieren, Dekanate werden zusammengelegt, Gebäude aufgegeben. Vor allem aber bekommt unser Nachdenken angesichts der Herausforderungen nochmal eine andere Dynamik: Was in unserer Kirche ist denn nur Gewohnheit, wenn auch liebgewonnen? Und was brauchen die Menschen wirklich von uns? Auch die, die uns schon abgeschrieben haben. Das alles ist mit Ehrlichkeit, mit Wehmut mit Phantasie verbunden. Und auch mit erstaunlich viel Kraft und Engagement. Da gibt es dann Menschen, die neu zur Mitarbeit finden, gerade weil sie in ihrer Kirche und im kirchlichen Leben und Angeboten etwas verändern wollen. Weil sie glauben, dass eine profiliertere und konzentrierte Kirche neue Strahlkraft entwickeln wird und Kräfte freisetzt. Und so auch unverzichtbar bleibt.
Das beste Mittel gegen Zukunftsangst ist neben der Kraft die Geduld, liebevolles und aufmerksames Hören und immer wieder neu betrachten und auch Fehler machen dürfen und revidieren können. Besonnenheit heißt das in der Sprache des Briefes. Und zur Besonnenheit gehört natürlich zu unterscheiden: Wann muss entschieden werden, endlich. Und wann brauchts es Zeit: Das ist manchmal ganz schön anstrengend: Wenn manche Gedanken und Argumentationsschleife ein zweites oder drittes mal gedreht werden müssen. Da müssen wir uns dann wohl mit dem Timotheusbrief sagen lassen: Die Besonnenheit gehört mit in die Anti-Furcht Koalition. Und das ist neben der Gelassenheit und Vernunft nun auch Liebe: Die Liebe für das genaue Hinschauen, die Liebe für die Menschen, die sich nicht mitgenommen fühlen und deren Liebe, wenn es darum geht, Entscheidungen dann auch zu akzeptieren. Liebevoller Umgang und liebevoller Umgangston, behutsam und respektvoll, zuhörend und verstehend. Wie sollten wir denn sonst in unserer Kirche und Welt zusammenfinden, die doch schon viel zu heftig bestimmt ist von Urteilen und gegenseitigen Beurteilungen, Bewertungen, Abwertung, Empörung, Entrüstung – statt Zuhören, Verstehen wollen, Liebe.
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Heißt nicht: Alles wird gut. Womöglich von alleine. Aber wir sind gut gerüstet. Ausgerüstet mit dem Geist unseres Gottes.
Also will ich mich für meinen persönlichen Aufbruch mal nicht beklagen, dass ab Montag der Umzugswagen vor der Tür steht. Obwohl der Weggang aus dem Amt und weg von Augsburg und Schwaben schon einiges an Abschieds-Kraft verlangt. Zu gerne war ich hier, habe auch hier so viele hilfreiche, sympathische, anregende Menschen gefunden, mit denen meine Frau und ich uns freundschaftlich verbunden fühlen. Hoffentlich bleiben wir in Verbindung. Und ein Abschied mit Abschiedsschmerz sagt ja nur, dass es für uns eine rundherum gute Zeit war. So will ich mich denn also nicht beklagen, sondern mich v.a. auch bei meiner Frau Sabine bedanken, die mich wie immer so liebevoll begleitet hat.
Und ihnen, euch und uns allen wünschen, dass wirs nur oft genug spüren: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
So sei Gottes Frieden mit uns allen - oder in den Worten des Liedes das wir noch singen werden, ausgedrückt:
So schenke uns nun Segen und führe uns ganz sacht
Begleit uns auf den Wegen, die du für uns erdacht.
Amen